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EPECUÉN. Eindrücke einer versunkenen Stadt in Argentinien

Serie #2: Bei Vollmond

Erschienen auf Urbanshit, Februar 2017

 

Still! Keinen Laut. Da drüben!
Kannst du die Menschen hören? Siehst du den Nebelhauch ihres Atems? Siehst du ihn leuchten im Mondlicht? Kannst du ihre Schritte hören? Siehst du ihre Spuren im Staub? Wie sie langsam verschwinden, weggetragen vom Wind? Kannst du das ferne Glucken der Kinder im Wasser hören? Wie ihre Füße aufplatschen und ihre Eltern schimpfen?
Kannst du den Morgentau sehen? Wie er die Blumen, Gräser und Äste überzogen hat? Wie Zuckerkristalle auf den Rändern der Blätter.
Und hörst du wie leise diese Stadt erscheint in diesem Augenblick? Kein Brummen der Lüftungen, keine Dieselmotoren, kein gar nichts. Hättest du geglaubt, dass sich all die Zauberhaftigkeit dieses Augenblicks inmitten der Provinz von Buenos Aires ereignet? Epecuén ist ein magischer Ort, meinst du nicht? Bleibst du heute wieder mit mir bis zum Morgen?

(Text: Tuna Kaptan)

Im Juni 2015 sind wir zu drei Freunden in die Geisterstadt Epecuén nach Argentinien gefahren. Dabei entstanden sind zwei Arten von Fotos. Die erste Serie zeigt die Stadt bei Tag. In der zweiten Serie (diese) sind wir zu zweit um Mitternacht bei Vollmond zurückgekehrt. Es war eines der gruseligsten Erlebnisse für mich. Alles ist totenstill. Die Stadt ist einige Kilomenter abgelegen vom nächsten bewohnten Ort und nur über eine längere Zufahrt zu erreichen. Bei Nacht ist der Zutritt untersagt. Es gibt keine einzige andere Menschenseele dort. Oder doch? Ich weiss nicht was mir lieber ist. Die schwarzen Höhlen der Fenster der letzten verbliebenen Häuser schauen einen aus großen leeren Augen an. Wenn ein Käuzchen schreit und ein Vogel herausgeflogen kommt bleibt kurz das Herz stehen. Wie Gespenster der vergangenen Tage tanzen Bäume über den toten See. Nur die Aussicht auf spektakuläre Fotos hält uns fast eine ganze Stunde in der Geisterstadt.

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